Stefan Waller ist seit mehreren Jahren praktizierender Internist und Kardiologe und hat sich aus Leidenschaft der Vermittlung komplexer medizinischer Sachverhalte in möglichst einfacher und verständlicher Sprache gewidmet.
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Veggie?! Woher bekomme ich mein Protein?
Kann ich mit einer pflanzlichen Ernährung nicht nur einen Beitrag gegen den Klimawandel leisten, etwas fürs Tierwohl und vor allen Dingen auch für meine Gesundheit tun und trotzdem genug hochwertiges Eiweiß zu mir nehmen? Und das auch, wenn ich einen sehr aktiven Lebensstil habe?
Kurz gesagt: Ja ich kann!
Mittlerweile hat sich ganz gut rumgesprochen, dass eine vollwertige, unverarbeitete und ganz überwiegend pflanzlich basierte Ernährungsweise unser Risiko für zahlreiche chronische Krankheiten, insbesondere auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deutlich senken kann. Doch ein Vorurteil, auf das ich immer wieder stoße, wenn ich meinen Patienten und und auch meinen Herz-Coaching Kunden eine überwiegend pflanzliche Ernährung ans Herz lege, ist die Sorge:
“Woher bekomme ich dann ausreichend und hochwertiges Protein?”
Jeder weiß, dass Eiweiß für einen gesunden, kräftigen Körper unverzichtbar ist und viele Menschen bevorzugen tierische Lebensmitteln als wichtigste Eiweißquelle, da sie annehmen allein mit pflanzlichen Eiweißquellen ihren Bedarf an hochwertigem Protein nicht decken zu können.
Aber ist das tatsächlich so?!
Schauen wir doch zunächst einmal, wie viel Protein, also Eiweiß, wir aktuell durchschnittlich zu uns nehmen und was die allgemein empfohlene Tagesdosis für Protein ist. Eine Untersuchung aus dem Jahre 2015-2016 zeigte, dass Frauen im Durchschnitt 69g und Männer durchschnittlich 97g Protein täglich konsumieren.
Brauchen wir so viel Eiweiß?
Ganz allgemein gilt, dass wir circa 0,8 g Eiweiß pro kg Körpergewicht pro Tag benötigen, was ungefähr 52 g Eiweiß pro Tag für Frauen und 65 g Eiweiß für einen Mann entsprechen würde. Hier kann es allerdings durchaus Sinn machen, dass du dir deinen individuellen Proteinbedarf auf der Grundlage deines Alters und deiner körperlichen Aktivität selber berechnest, dafür gibt es ja mittlerweile eine Vielzahl von Apps und Programmen.
Jetzt aber die alles entscheidende Take Home Message: Die Angst, dass du bei einer ausgewogenen, sprich abwechslungsreichen pflanzlichen Ernährung nicht genug Eiweiß zu dir nimmst, ist unbegründet! Die empfohlenen Tagesmengen an Eiweiß lassen sich mit einer abwechslungsreichen pflanzlichen Kost aus unverarbeitetem Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen leicht erreichen. Wie du hier siehst , kannst du allein mit einer Tasse gekochten roten Linsen oder schwarzen Bohnen 15 beziehungsweise 18 g Eiweiß zu dir nehmen.
Qualität der Proteine
Okay, nun zur Frage der Qualität der pflanzlichen Eiweiße, denn es wird immer wieder ins Feld geführt, dass die Zusammensetzung der Aminosäuren in pflanzlichen Eiweißquellen ungünstiger für uns ist. Die Frage ist v.a., ob pflanzliches Eiweiß alle neun essentiellen Aminosäuren enthält. Sprich die Aminosäuren, die unser Körper nicht selbst herstellen kann.
Bei tierischen Lebensmitteln sind in der Regel alle neun essentiellen Aminosäuren enthalten, während bei pflanzlichen tatsächlich unterschiedliche Mengen dieser essentiellen Eiweißbausteine vorhanden sind und einige je nach Nahrungsmittel sogar fehlen können.
Müssen wir jetzt ständig genau berechnen, wie viel wir von welchen pflanzlichen Lebensmitteln zu uns nehmen, damit wir eine ausreichende Aufnahme der für uns wichtigen Aminosäuren sicherstellen?
Das ist zum Glück nicht der Fall.
Denn tatsächlich ist es so, dass unser Körper ständig Eiweiße auf- und abbaut und wieder neu rekombiniert mit im Gewebe bereits gespeicherten Aminosäuren. Somit gibt es also einen Aminosäurenpool auf den zurückgegriffen werden kann und es muss nicht jede einzelne essenzielle Aminosäure in jeder Mahlzeit vorhanden sein.
Solange du also eine Vielzahl von unterschiedlichen pflanzlichen Proteinquellen zu dir nimmst, wirst du auch alle essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge zu dir nehmen. Das gilt auch für Sportler, ältere Erwachsene und sogar Schwangere. Das ist zumindest die Position der Academy of Nutrition and Dietetics
Falls du hier ein paar Anregungen brauchst und tiefer einsteigen willst, bietet dir das American College of Lifestyle Medicine einen kostenlosen Leitfaden an zum selber nachkochen, da kannst du dich selber überzeugen wie einfach du mit leckeren pflanzlichen Mahlzeiten auf deinen täglichen Proteinbedarf bekommst.
Weitere Vorteile
Abseits der Eiweißdebatte bieten dir pflanzliche Lebensmittel eine ganze Armada von gesundheitlichen Vorteilen. Sie enthalten wertvolle Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe mit entzündungshemmenden Eigenschaften und Antioxidanzien sowie verschiedenste Vitamine und Nährstoffe meist ohne die teils gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffe tierischer Nahrungsquellen wie gesättigte Fette, die wir im Fleisch zu Hauf vorfinden. Insbesondere enthalten Pflanzen kein Cholesterin.
Also, wie stehst du zu pflanzlich basierter Ernährung? Wie ist deine Ernährungsphilosophie? Schreibe es gerne in die Kommentare.
Dein Dr. Heart
Häufig gestellte Fragen zum Thema Pflanzliche Ernährung und Protein
Ja, pflanzliche Proteine bieten eine ausreichende Qualität. Da pflanzliche Proteinquellen unterschiedliche Mengen essentieller Aminosäuren enthalten, kann unser Körper Aminosäuren aus verschiedenen Quellen kombinieren und recyceln. Solange man eine Vielzahl von pflanzlichen Proteinquellen isst, erhält man alle essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge.
Pflanzliche Lebensmittel bieten viele gesundheitliche Vorteile, einschließlich wertvoller Ballaststoffe, entzündungshemmender sekundärer Pflanzenstoffe und Antioxidanzien. Sie sind reich an verschiedenen Vitaminen und Nährstoffen und enthalten in der Regel keine gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffe tierischer Nahrungsquellen wie gesättigte Fette und Cholesterin. Pflanzliche Ernährung kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen und die Gesundheit insgesamt fördern.
Ja, eine abwechslungsreiche pflanzliche Ernährung kann ausreichend hochwertiges Protein liefern. Die empfohlene Tagesdosis lässt sich leicht erreichen, indem man unverarbeitetes Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen isst. Zum Beispiel enthalten eine Tasse gekochte rote Linsen oder schwarze Bohnen jeweils 15 bzw. 18 g Protein.