Stefan Waller ist seit mehreren Jahren praktizierender Internist und Kardiologe und hat sich aus Leidenschaft der Vermittlung komplexer medizinischer Sachverhalte in möglichst einfacher und verständlicher Sprache gewidmet.
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Linda Weißer ist approbierte Ärztin und leidenschaftliche Ernährungsberaterin, letzteres offline und online über ihren Blog alimonia.net.
Herzschrittmacher und Herzrhythmusstörungen
Wie kommt es zu Herzrhythmusstörungen, und welche gibt es? Kann ein Herzschrittmacher dagegen helfen?
Liebe Leserinnen und Leser,
in den kommenden Beiträgen werden wir zusammen in einfachen Worten die wichtigsten Grundlagen zu Herzrhythmusstörungen und deren Behandlung mit modernen Herzschrittmachersystemen besprechen.
Fangen wir an mit ein paar Basisfakten zu unserem „Lebensmotor“ Herz:
Unser Herz zieht sich pro Minute in Ruhe circa 60-90 mal zusammen und pumpt auf diese Weise ca. 4-6 l Blut durch unseren Kreislauf. Auf die Stunde berechnet sind das fast zwei mit Blut gefüllte Badewannen.
Aber wie funktioniert eigentlich der Herzrhythmus?
Damit unser Herz sich zusammenziehen, also Blut pumpen kann, muss der Herzmuskel durch einen elektrischen Reiz stimuliert werden. Dieser elektrische Reiz wird durch eine spezialisierte Ansammlung von Herzzellen im Bereich des rechten Herzvorhofes, dem sog. Sinusknoten, gebildet. Die elektrische Erregung breitet sich dann über beide Herzvorhöfe aus, die sich dadurch zusammenziehen und das Blut in die beiden Herzkammern pumpen.
In einer speziellen Struktur des sog. Erregungsleitungssystems, dem sog. AV-Knoten, der im Normalfall die einzige elektrische Verbindung, eine Art elektrische Schleuse, zwischen den Herzvorhöfen und den Herzkammern darstellt, laufen die elektrischen Impulse aus den Herzvorhöfen zusammen und werden schließlich kontrolliert, geordnet und etwas verzögert über Erregungsleitungsbahnen in die rechte und linke Herzkammer weitergeleitet. Dort können sich die elektrischen Impulse dann über ein fein verzweigtes Reizleitungsnetz über den gesamten Herzmuskel ausbreiten, der sich daraufhin zusammenzieht und das Blut in Lungen- und Körperkreislauf pumpt.
Liebe Leserinnen und Leser, an all diesen besprochenen Strukturen kann es nun zu Problemen kommen, die zu verschiedenen Arten von Herzrhythmusstörungen führen können.
Welche Herzrhythmusstörungen gibt es?
- Störungen der Reizimpulsbildung im Bereich des Taktgebers, des Sinusknotens, können dazu führen, dass zu wenige elektrische Impulse pro Zeit gebildet werden oder sogar zeitweise ganz ausfallen, und so ein zu langsamer Herzschlag resultiert bzw. Herzschläge ganz ausbleiben. Dieses Krankheitsbild wird als sog. Sick-Sinus-Syndrom, also Syndrom des kranken Sinusknotens, des kranken Taktgebers, bezeichnet.
- Daneben kann es zu Störungen im Bereich der Impulsleitung, z.B. zu Blockierungen im Bereich des besprochenen AV-Knotens, also der elektrischen Verbindung zwischen den Herzvorhöfen kommen, einem sog. atrioventrikulären Block, auch als AV-Block. Durch die unregelmäßige oder auch zeitweise ausbleibende Überleitung der elektrischen Erregung aus den Herzvorhöfen auf die Herzkammern werden diese nicht elektrisch erregt und können somit nicht arbeiten, sodass auch hier ein zu langsamer oder ausbleibender Puls resultiert.
- Neben ausbleibenden und blockierten elektrischen Impulsen kann es aber auch zur Ausbildung von zusätzlichen elektrischen Impulsen kommen, die dann als eine Art „Fehlzündung“ zu Extraschlägen, sog. Extrasystolen führen und überall im Bereich des Herzens, also sowohl im Bereich der Herzvorhöfe als sog. supraventrikuläre Extrasystolen, als auch im Bereich der Herzkammern als sog. ventrikuläre Extrasystolen, auftreten können und sogar zu gefährlichen schnellen Herzrhythmusstörungen führen können und auf die wir in späteren Videos noch zu sprechen kommen werden.
Was tun bei Herzrhythmusstörungen?
In den folgenden Zeilen werden wir die Behandlung von langsamen Herzrhythmusstörungen besprechen.
Langsame Herzrhythmusstörungen, also Herzrhythmusstörungen, die wie eben angesprochen durch eine gestörte Reizbildung oder Reizweiterleitung bedingt sind, können, wenn sie ausgeprägt sind, durch den zu langsamen oder sogar ausbleibenden Pulsschlag zu einer kritischen Verminderung des Blutflusses v.a. im Gehirn und damit zu Beschwerden wie Schwindel bis hin zu Ohnmachtsanfällen, sog. Synkopen, führen. Es kann aber auch sein, dass einfach nur die Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, da das Herz nicht mehr in der Lage ist bei körperlicher Belastung durch ein Anheben der Herzschlagfrequenz die Herzleistung zu steigern. Dies wird medizinisch als sog. chronotrope Inkompetenz bezeichnet.
In diesen Fällen kann betroffenen Menschen mit einem Herzschrittmacher geholfen werden.
Was ist ein Herzschrittmacher?
Ein Herzschrittmacher ist ein ca. Streichholzschachtel-großer Minicomputer, der über solche Elektroden mit dem Herzen verbunden wird und somit ständig die elektrische Aktivität des Herzens überwachen kann. Bleibt ein erwarteter elektrischer Impuls des Herzens aus dann greift der Schrittmacher ein und sendet über die angeschlossenen Elektroden einen elektrischen Impuls zum Herzen, welches sich daraufhin kontrahiert, also zusammenzieht.
Wie und wo wird ein Herzschrittmacher eingesetzt?
Nachdem der erste Herzschrittmacher vor über 50 Jahren implantiert wurde und damals eine echte Sensation darstellte, gehört die Herzschrittmacherimplantation mit über 100.000 Eingriffen pro Jahr heute zum absoluten Behandlungsstandard.
Normalerweise sind Sie als Patient während der Herzschrittmacherimplantation wach, eine Vollnarkose ist also im Normalfall nicht notwendig. Nachdem die Haut unterhalb des Schlüsselbeins gesäubert und gründlich desinfiziert wurde, wird sie mitsamt dem darunter liegenden Gewebe mit einem Lokalanästhetikum betäubt, sodass Sie als Patient während der Schrittmacher-Operationin aller Regel keine Schmerzen verspüren.
Über die Punktion eines großen Blutgefäßes, unterhalb des Schlüsselbeines, werden die langen flexiblen Schrittmachersonden direkt zum Herzen vorgeführt. Unter Röntgendurchleuchtung wird die richtige Position der Schrittmachersonden über ein an die Elektroden angeschlossenen Gerät überprüft und falls notwendig so lange korrigiert bis die ideale Position der Sonden gefunden ist. Wenn die elektrische Eigenaktivität des Herzens über die Elektroden richtig wahrgenommen wird und die vom Herzschrittmacher ausgesendeten elektrischen Impulse auch richtig im Herzen ankommen, können die Schrittmacherelektroden fixiert, der Herzschrittmacher angeschlossen und schließlich die Haut darüber vernäht werden.
Was für Herzschrittmacher gibt es, und wer bekommt welchen Herzschrittmacher?
Entgegen so mancher Vermutung hängt das System, das Ihnen implantiert wird nicht von Ihrem Versicherungsstatus ab, sondern von Ihrer zugrundeliegenden Herzrhythmusstörung. Am häufigsten werden heutzutage sog. 2-Kammersysteme implantiert, d.h. eine Elektrode wird im rechten Herzvorhof und eine zweite Elektrode in der rechten Herzkammer implantiert. Bei bestimmten Herzrhythmusstörungen, wie z.B. einem dauerhaften Vorhofflimmern mit zu langsamen Pulsschlag, wäre eine Vorhofelektrode für Sie als Patient nutzlos und somit ist hier ein 1-Kammerherzschrittmacher die bessere Wahl. Ihr behandelnder Arzt wird also das für Sie und Ihre Rhythmusstörung passende Schrittmachersystem auswählen.
Welche Probleme können beim Einsetzen des Schrittmachers auftreten?
Am häufigsten sind Komplikationen, die durch die Schrittmacher-Sonden entstehen. Kommt es z.B. zu einer Fehllage der Sonden, dann ist die adäquate Funktion des Schrittmachers nicht mehr gewährleistet und die Lage der Sonde muss falls noch möglich korrigiert bzw. eine neue Sonde implantiert werden. Kommt es z.B. nach der Schrittmacherimplantation zu plötzlichem Schluckauf oder einem Zucken des Brustmuskels, ist dies ein Hinweis auf eine Fehllage der Sonde mit unerwünschter elektrischer Erregung des Zwerchfells bzw. des Brustmuskels.
Sehr häufig sind die Ausbildung eines größeren Blutergusses, eines sog. Hämatoms, im Bereich der Wunde unterhalb des Schlüsselbeins, wo der Schrittmacher implantiert worden ist, in der Regel wird dieser jedoch von allein durch den Körper nach und nach von allein abgebaut.
Selten, aber wirklich gefährlich und gefürchtet sind v.a. bakterielle Infektionen des Herzschrittmachersystems. Aus diesem Grund wird der Schrittmacher ja auch unter sterilen Bedingungen im OP implantiert. Kommt es dennoch nach der Operation zu einem Anschwellen und zu einer Rötung und Überwärmung der Wunde, weist dies auf eine Infektion hin, die konsequent mit einem Antibiotikum behandelt werden muss. Oftmals ist dann jedoch die Entfernung des gesamten Schrittmachersystems notwendig, um eine Infektionsausbreitung und eine drohende Blutvergiftung zu vermeiden.
Liebe Leserinnen und Leser,
weil viele der beschriebenen Komplikationen von den Schrittmacherelektroden ausgehen, werden winzige elektrodenfreie Schrittmachersysteme entwickelt und auch schon erprobt, die mittels Herzkatheteruntersuchung direkt im Herzen platziert werden.
Insgesamt betrachtet sind Herzschrittmacher eine segensreiche Erfindung, da sie die körperliche Belastbarkeit und damit auch die Lebensqualität betroffener Menschen deutlich verbessern können.