Stefan Waller ist seit mehreren Jahren praktizierender Internist und Kardiologe und hat sich aus Leidenschaft der Vermittlung komplexer medizinischer Sachverhalte in möglichst einfacher und verständlicher Sprache gewidmet.
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Linda Weißer ist approbierte Ärztin und leidenschaftliche Ernährungsberaterin, letzteres offline und online über ihren Blog alimonia.net.
Inhalt
In diesen Videos erfahren Sie das Wichtigste über unsere Herzklappen, die wichtigsten Herzklappenerkrankungen bzw. Herzklappenfehler und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten, die uns heute zur Verfügung stehen.
Welche Funktion haben unsere Herzklappen?
Unsere Herzklappen gehören zu den erstaunlichsten Strukturen unseres Körpers. Sie öffnen und verschließen sich wie Ventile geschätzte 100.000 mal pro Tag, um sicherzustellen, dass das Blut durch das Herz nur in die eine, richtige Richtung transportiert wird. Man kann sich gut vorstellen, dass kein von Menschenhand geschaffenes Objekt ohne Wartung und Reparaturarbeiten hierzu in der Lage wäre! Dies ist nur möglich, da unsere Herzklappen lebendige Strukturen sind, die sich in gewissem Ausmaß selber reparieren können. Jeweils am Ein- und am Ausgang der rechten und der linken Herzkammer befindet sich eine Herzklappe, die die Funktion eines Ventils erfüllt und dafür Sorge trägt, dass das Blut von den Herzkammern nicht zurück in die Herzvorhöfe bzw. aus der Lungenarterie bzw. Hauptschlagader nicht zurück in die Herzkammern fließen kann. Insgesamt besitzen wir somit vier Herzklappen, die Aorten- und Mitralklappe des linken Herzens und die Trikuspidal- und Pulmonalherzklappe des rechten Herzens.
Was ist ein Herzklappenfehler?
Bei einem Herzklappenfehler, medizinisch auch als Klappenvitium bezeichnet, handelt es sich um eine Funktionsstörung einer oder mehrerer Herzklappen. Abgesehen von den angeborenen Formen sind es vor allem Erkrankungen des höheren Lebensalters. Grundsätzlich kann hierbei eine Undichtigkeit, eine so genannte Insuffizienz, vorliegen, oder die Herzklappe kann sich nicht mehr vollständig und frei öffnen und es kommt zu einer Verengung, einer sog. Stenose der Herzklappe. Beide Formen, also sowohl die Undichtigkeit als auch die Verengung der Herzklappe, können auch gleichzeitig vorliegen. Dann spricht man von einem kombinierten Herzklappenfehler. Diese Störungen können an allen unseren vier Herzklappen einzeln oder in Kombination auftreten.
Da die Herzklappen in unserem linken Herzen, welches das Blut gegen den herrschenden Blutdruck in unseren Körper pumpen muss, einer sehr viel größeren mechanischen Belastung ausgesetzt sind als die Herzklappen des rechten Herzens, kommt es bei den beiden Klappen des linken Herzens, sprich der Aorten- und der Mitralherzklappe, auch häufiger zu behandlungsbedürftigen Herzklappenfehlern.
Wie kommt es zu Herzklappenfehlern?
„degenerative“ Herzklappenfehler
Herzfehler und Herzklappenfehler können angeboren sein und werden dann oft schon im Kindesalter erkannt. Bei ca. 1% der Menschen liegen angeborene Herzklappenfehler vor. Bei den erworbenen Ursachen von Herzklappenfehlern findet man am häufigsten so genannte degenerative Veränderungen, also Ablagerungen, Verhärtungen und Verkalkungen unserer Herzklappen, die durch die über viele Jahre einwirkende mechanische Belastung entstehen und im Verlauf fortschreiten und zu Herzklappenfehlern führen können.
„funktionelle“ Herzklappenfehler
Daneben kann es aber auch durch Veränderungen des Herzens, die mit der Herzklappe selber nichts zu tun haben, zu Herzklappenfehlern kommen. Dies ist z.B. der Fall, wenn durch eine Erweiterung des Herzens, zum Beispiel im Rahmen einer Herzschwäche, einer sog. Herzinsuffizienz, oder auch nach einem Herzinfarkt, die linke Herzkammer und damit auch die Mitralherzklappe auseinander gezogen wird, so dass sie in der Herzklappenmitte an ihren Klappenrändern nicht mehr dicht abschließen kann und somit Blut durch die dann undichte Herzklappe in die falsche Richtung entweichen kann.
entzündliche Veränderungen der Herzklappe
Daneben kann aber auch die Herzklappe selber durch verschiedenste Faktoren, wie zum Beispiel eine durch Bakterien bedingte Entzündung, eine so genannte Endokarditis, zerstört werden.
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Gerade eine vorgeschädigte Herzklappe kann hierbei durch in den Blutstrom gelangte Bakterien durch eine veränderte Blutströmung an der veränderten Herzklappe leichter infiziert werden. Bakterien können bei verschiedensten Eingriffen und Verletzungen, bei Tätowierungen (siehe das interessante Interview im Slider mit Prof. Meinertz, Chefredakteur Herz Heute, Deutsche Herzstiftung) und beim Zähneputzen in die Blutbahn gelangen.
Herzklappenfehler - Symptome
Welche Beschwerden macht ein Herzklappenfehler?
Die Symptome eines Herzklappenfehlers können von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein. Sie hängen ab von der Art und dem Schweregrad des Herzklappenfehlers und von der allgemeinen Gesundheit des Patienten. Wenn sich ein Herzklappenfehler langsam über Jahre entwickelt, kann das Herz häufig noch viel kompensieren, so dass viele Menschen zunächst erstaunlich wenig oder sogar keine Beschwerden aufweisen. Gerade bei fortgeschrittenen Herzklappenfehlern finden Sie jedoch häufig Luftnot, Herzrasen und Herzrhythmusstörungen sowie Schwindel. Es können aber auch ganz unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und ein Leistungsknick vorliegen, sodass zunächst gar nicht an das Vorliegen eines Herzklappenfehlers als Ursache der Beschwerden gedacht wird. Da erworbene Herzklappenfehler häufiger im höheren Lebensalter vorkommen, bestehen häufig zur gleichen Zeit weitere Krankheiten, wie z.B. eine Herzinsuffizienz (Herzschwäche), so dass es nicht immer ganz einfach ist die Symptome eindeutig zuzuordnen. Deshalb ist die Beurteilung durch den erfahrenen Arzt so wichtig.
Herzklappenfehler - Diagnostik
Wie wird ein Herzklappenfehler festgestellt?
Sehr häufig werden Herzklappenfehler zufällig im Rahmen einer Routineuntersuchung, z.B. beim Hausarzt festgestellt. Beim Abhören des Herzens fällt dann ein auffälliges Herzgeräusch auf und der Patient wird dann zum Kardiologen weiter geschickt. Oftmals stellt sich der Patient mit den oben genannten Beschwerden, insbesondere Luftnot, in der Arztpraxis vor. Die Diagnose gelingt dann mit Hilfe der Herzultraschall-Untersuchung (Echokardiographie). Zur genaueren Einschätzung und Schweregrad-Einteilung eines Herzklappenfehlers und insbesondere auch vor einer geplanten Operation eines Herzklappenfehlers erfolgen im Anschluss meistens noch weiterführende Untersuchungen, wie die transösophageale Echokardiographie, also eine Herzultraschall-Untersuchung durch die Speiseröhre, sog. bildgebende Verfahren, wie ein Herz-MRT (Magnetresonanztomographie des Herzens), oder ein Herz-CT (Computertomographie des Herzens) sowie eine Herzkatheteruntersuchung.
Aortenklappenstenose
Die Verengung der Aorten-Herzklappe, die sog Aortenklappenstenose (oftmals auch nur als Aortenstenose bezeichnet), ist in Europa die häufigste relevante Herzklappenerkrankung. In den modernen Industrieländern sind „Verschleißerscheinungen“ in Form von Verhärtungen und Verkalkungen die häufigste Ursache bei älteren Menschen. Begünstigend für diesen Klappenfehler ist eine von Geburt an bestehende sog. bikuspide Klappe, d.h. es sind statt drei nur zwei sog. Taschenklappen angelegt, was dann durch die veränderte Blutströmung durch die Herzklappe über die Jahre die Entwicklung einer Aortenstenose begünstigt.
Aortenklappeninsuffizienz
Bei einer Aortenklappeninsuffizienz (oftmals auch nur als Aorteninsuffizienz bezeichnet, funktioniert der Verschlussmechanismus der Aortenklappe nicht mehr einwandfrei, so dass es, zu einem Rückfluss von Blut aus der Hauptschlagader zurück in die linke Herzkammer kommt. Dieser Herzklappenfehler kann sich ebenfalls oft schleichend über Jahre entwickeln, z.B. wenn die Aortenwurzel, also der Herzklappenring, an dem die Aortenklappe verankert ist, aufgrund einer dauerhaften Belastung der Aortenwand durch erhöhte Blutdruckwerte auseinander weicht, man sagt auch dilatiert, und die Herzklappe dadurch gewissermaßen auseinander gezogen wird. Sehr viel seltener kann sich dieser Herzklappenfehler durch eine akute Zerstörung der Herzklappe, z.B. im Rahmen einer bakteriellen Entzündung, einer sog. Endokarditis, entwickeln.
Mitralklappeninsuffizienz
Ebenfalls sehr häufig ist die Undichtigkeit der Mitralherzklappe zwischen dem linken Herzvorhof und der linken Herzkammer, wobei hier kleinste, harmlose Undichtigkeiten sehr häufig sind und oftmals nur beobachtet werden müssen. Bei diesem Herzklappenfehler kommt es während der Austreibungsphase des Blutes zu einem Rückfluss eines Teils des ausgeworfenen Blutes zurück in den linken Herzvorhof anstatt in den Körperkreislauf. Für die linke Herzkammer bedeutet dies eine Mehrbelastung, da sie insgesamt mehr Blut pumpen muss, um noch ausreichend Blutvolumen in die richtige Richtung in den Körperkreislauf zu pumpen. In schweren Fällen kann dies zu einer Herzschwäche führen.
Trikuspidalklappeninsuffizienz und weitere Herzklappenfehler
Bei der Trikuspidalklappeninsuffizienz kommt es durch eine Undichtigkeit der Trikuspidalklappe zu einem Rückfluss von Blut aus der rechten Herzkammer zurück in den rechten Herzvorhof. Ähnlich wie bei der Mitralinsuffizienz findet der Arzt leichte Formen dieses Herzklappenfehlers, die in der Regel als harmlos einzustufen sind, relativ häufig bei der Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiografie). Sehr häufig ist die Trikuspidalklappeninsuffizienz als Folge einer Krankheit des linken Herzens. Durch eine Pumpschwäche des linken Herzens kann es zu einem Rückstau von Blut in den Lungenkreislauf kommen, wodurch es zu einer Überlastung und Druckerhöhung im Bereich des rechten Herzens mit einer Überdehnung des Halteringes der Trikuspidalklappe kommt. Durch ein Auseinanderweichen der Herzklappe kann es dann zu einer Undichtigkeit an der an sich intakten Trikuspidalklappe kommen, man spricht dann auch von einer „sekundären Klappeninsuffizienz“.
Die Trikuspidalklappeninsuffizienz ist eine sehr häufige Erkrankung, die allein in Deutschland über eine halbe Million Menschen betrifft! Und obwohl eine fortgeschrittene, schwere Trikuspidalklappeninsuffizienz (die leichtgradige Insuffizienz ist extrem häufig und in der Regel unbedenklich) nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebenserwartung betroffener Menschen ganz erheblich einschränkt, wird nur ein verschwindend geringer Anteil der Patient/innen auch wirksam behandelt. Daher wird die Trikuspidalklappe häufig auch als die „vergessene Klappe” bezeichnet. Dabei gibt es hier spannende Möglichkeiten. Schauen Sie hierzu in das Video oben!
Weitere Herzklappenfehler sind in unseren Breiten selten geworden bzw. nur selten behandlungsbedürftig. Die Mitralklappenstenose, also die Verengung der Mitralklappe aufgrund einer Verdickung und Verkalkung der Mitralklapensegel, ist in der Regel eine Folgekrankheit einer bakteriellen Infektion (sog. Streptokokkeninfektion) und daher aufgrund der hierzulande meist rechtzeitig erfolgenden Behandlung mit antibiotischen Medikamenten in den entwickelten Ländern nur noch selten vorzufinden. Weltweit gesehen ist die Mitralstenose aber immer noch ein häufiger erworbener Herzklappenfehler.
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Sehr selten ist die Trikuspidalstenose, also eine Verengung der Klappenöffnungsfläche der Trikuspidalklappe mit Behinderung des Bluteinstroms aus dem rechten Herzvorhof in die rechte Herzkammer. Ebenfalls relativ selten behandlungsbedürftig sind Herzklappenfehler an der Pulmonalklappe, die zwischen der rechten Herzkammer und der Lungenstrombahn liegt und den Rückfluss von Blut in die rechte Herzkammer während der Diastole, also der Erschlaffungsphase des Herzens, verhindert. Eine Pulmonalstenose, die Verengung der Pulmonalklappe, findet man meist als angeborenen Herzklappenfehler. Die Pulmonalklappeninsuffizienz, also eine Undichtigkeit der Pulmonalklappe, findet man meistens wenn der Blutdruck im Lungenkreislauf z.B. durch eine Lungenerkrankung oder eine Herzschwäche erhöht ist und zu einer Erweiterung der Lungenschlagader führt.
Herzklappenfehler - Behandlung
Was kann man gegen einen Herzklappenfehler machen?
Zunächst einmal sollte festgestellt werden, ob ein Herzklappenfehler überhaupt eine Therapie benötigt oder ob eine Beobachtung mit Herzultraschall-Kontrollen ausreichend ist. Medikamente können leider lediglich die Symptome mildern, eine grundsätzliche Behandlung des Herzklappenfehlers mit Medikamenten ist nicht möglich. Schwere Herzklappenfehler müssen also in aller Regel durch eine Operation, bzw. immer häufiger auch „interventionell“, also über eine Herzkathetertechnik, versorgt werden.
Wann muss ein Herzklappenfehler operiert werden?
Wichtig ist es einen Herzklappenfehler konsequent mit Ultraschalluntersuchungen (Echokardiographie) zu überwachen, um den richtigen Zeitpunkt für eine Operation nicht zu verpassen, d.h. ein Herzklappenfehler sollte unbedingt behandelt werden, bevor ein Schaden am Herzmuskel entsteht. Da man den individuellen Verlauf nie genau vorhersagen kann sind hier regelmäßige Kontrolluntersuchungen durch den behandelnden Arzt wichtig.
Operiert werden muss ein Herzklappenfehler dann, wenn er anhaltende Beschwerden verursacht, oder wenn das Herz Schaden zu nehmen droht.
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Herzklappenfehler - interventionelle Behandlung (Herzkatheter-Technik) - Die MitraClip - und TAVI-Technik
Wie kann ein Herzklappenfehler korrigiert werden?
Zur Behandlung von Herzklappenfehler stehen verschiedene operative Verfahren, wie zum Beispiel eine Herzklappenrekonstruktion, vereinfacht gesagt eine Reparatur der defekten Herzklappe, oder ein kompletter Klappenaustausch, eine Herzklappenersatz-Operation zur Auswahl. Bei Letzterer kann schließlich zwischen einem so genannten mechanischen, also aus Metall bestehendem, und einem biologischen Herzklappenersatz gewählt werden. Immer mehr auf dem Vormarsch sind so genannte katheterinterventionelle Verfahren, bei denen über eine Herzkathetertechnik die Herzklappe repariert beziehungsweise ersetzt wird. Derartige Verfahren finden bereits breitflächig bei der Behandlung der Aortenklappenstenose (sog. TAVI-Verfahren) und bei der Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz (z.B. das MitraClip-Verfahren, siehe oben) Anwendung. Seit neuestem können mit dem Clipping-Verfahren (TriClip) auch hochgradige Undichtigkeiten (Insuffizienzen) der Trikuspidalherzklappe erfolgreich behandelt werden, schauen Sie hierzu in das Video oben im Slider.
DocCheck-Interview auf dem ESC-Barcelona 2017 mit Prof. Falk (Deutsches Herzzentrum Berlin) zu moderner Therapie von Herzklappenfehlern und den neuen Behandlungsleitlinien 2017 (Video oben im Slider).
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Herzklappenfehler - natürlicher Verlauf
Was kann mir bei einem schweren Herzklappenfehler passieren, wenn ich nichts unternehme?
Ein ausgeprägter Herzklappenfehler belastet unser Herz, entweder weil das Herz aufgrund der Verengung einer Herzklappe (einer Klappenstenose) das Blut gegen einen höheren Widerstand herauspumpen muss oder aber aufgrund des entstehenden „Leckflusses“, also des Rückflusses von Blut durch eine undichte Herzklappe bei der Klappeninsuffizienz, insgesamt mehr Blutvolumen pumpen muss, um den „Leckfluss“ auszugleichen.
Bleibt ein solcher fortgeschrittener Herzklappenfehler längere Zeit unbehandelt bestehen drohen neben den oben genannten Beschwerden auch Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen, ein Bluthochdruck im Lungenkreislauf (eine sog. pulmonale Hypertonie) und vor allem die Entwicklung einer Herzschwäche. Die Herzschwäche ist eine sehr schwerwiegende Erkrankung, die unbehandelt die Lebenserwartung einer Krebserkrankung aufweist. Glücklicherweise gibt es aber heutzutage effektive Behandlungsverfahren zur Versorgung von Herzklappenfehlern und auch bei der Therapie der Herzinsuffizienz hat es in den vergangenen Jahren rasante Fortschritte gegeben.
Lernen Sie mehr über die Herzschwäche.
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