Stefan Waller ist seit mehreren Jahren praktizierender Internist und Kardiologe und hat sich aus Leidenschaft der Vermittlung komplexer medizinischer Sachverhalte in möglichst einfacher und verstÀndlicher Sprache gewidmet.
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MitraClip – Reparatur der Mitralherzklappe ohne Operation
Wie kann eine hochgradig undichte Mitralherzklappe ohne Operation korrigiert werden?
FĂŒr geeignete Patienten/innen eine wertvolle Behandlungsoption â die MitraClip-Technik
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,
Im Alter von >75 Jahren leidet jeder 10. Mensch an einer bedeutenden Mitralklappeninsuffizienz, einer Undichtigkeit der Mitralherzklappe zwischen dem linken Herzvorhof und der linken HerzkammerâŠ
Stellen Sie sich kurz vor Sie mĂŒssten eine Badewanne mit einem Eimer leer schöpfen, an dessen Boden ein groĂes Loch klafft. Da mĂŒssten Sie natĂŒrlich viel mehr Arbeit verrichten und wĂŒrden trotzdem sehr ineffektiv arbeiten und schlieĂlich irgendwann ermĂŒden. So ergeht es auch Ihrem Herzen bei einer bedeutenden MitralklappeninsuffizienzâŠ
Bei diesem Herzklappenfehler strömt ein GroĂteil des Blutes, welches unsere linke Herzkammer eigentlich ânach vorneâ in unseren Körper zu unseren Organen pumpen sollte durch die defekte Herzklappe zurĂŒck, quasi in die falsche Richtung, in unseren linken Herzvorhof. Bleibt dieser Herzklappenfehler ĂŒber lange Zeit unbehandelt kann sich durch die daraus resultierende Mehrarbeit fĂŒr unser Herz eine âErmĂŒdung des Herzmuskelsâ, eine HerzschwĂ€che mit einer Erweiterung der linken Herzkammer durch das stĂ€ndig zurĂŒckflieĂende Blutvolumen entwickeln.
Ein Defekt der Mitralherzklappe, wie er z.B. sehr hĂ€ufig im Alter durch VerhĂ€rtungen und Verkalkungen an der Herzklappe hĂ€ufig auftritt, kann also zu einer HerzschwĂ€che fĂŒhren.
Umgekehrt kann es aber auch sein, dass die Mitralklappe an sich vollkommen in Ordnung ist, dass es aber z.B. durch eine Erweiterung der linken Herzkammer wie sie im Rahmen einer schweren HerzschwĂ€che auftritt, zu einem âAuseinanderziehenâ bzw. âAuseinanderweichenâ der Herzklappe kommt wodurch die Herzklappe an den HerzklappenrĂ€ndern gewissermassen undicht wird.
Hierbei spricht man dann auch von einer sog. sekundĂ€ren, einer ârelativen Mitralinsuffizienzâ. Durch den entstehenden RĂŒckfluss von Blut aus der linken Herzkammer zurĂŒck in den linken Herzvorhof entwickelt sich eine zusĂ€tzliche Belastung fĂŒr die ja ohnehin schon geschwĂ€chte linke Herzkammer, die den weiteren Krankheitsverlauf ungĂŒnstig beeinflusst.
Was können wir also tun?
Liegt eine HerzschwÀche als Ursache der Mitralinsuffizienz vor, bietet die moderne Medizin heute eine Vielzahl von Behandlungsmethoden, allen voran hochwirksame Medikamente, aber auch spezielle Herzschrittmachersysteme, mit denen bei geeigneten Patienten die LebensqualitÀt und auch die Lebenserwartung deutlich verbessert werden kann.
Liegt trotz Ausschöpfung aller BehandlungsmaĂnahmen weiterhin eine bedeutende Undichtigkeit der Mitralherzklappe mit entsprechenden Beschwerden des Patienten vor ist die Behandlung der Wahl die Operation der Herzklappe. Dabei wird die Mitralklappe wenn möglich repariert, man sagt auch rekonstruiert, oder falls dies nicht mehr möglich ist, komplett ersetzt, also ein kompletter Mitralklappenersatz durchgefĂŒhrt.
Eine derartige Herzoperation ist natĂŒrlich kein Spaziergang sondern ein groĂer Eingriff mit Eröffnung des Brustkorbes und Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Bei mehr als die HĂ€lfte der Patienten, die aufgrund des Krankheitsbildes eigentlich eine solche Operation benötigen wĂŒrden wird diese nicht durchgefĂŒhrt weil, z.B. aufgrund einer allgemeinen schlechten körperlichen Verfassung oder bedeutender anderer Erkrankungen, das Risiko, eine solche offene Herzoperation nicht zu ĂŒberleben, als zu hoch eingeschĂ€tzt wird.
Wie kann Menschen mit einer bedeutenden Mitralinsuffizienz, die fĂŒr eine Operation nicht in Frage kommen geholfen werden?
HierfĂŒr wurden spezielle im Vergleich zu einer Operation deutlich weniger belastende Herzkathetertechnik-basierte Verfahren zur Korrektur einer Mitralkappeninsuffizienz entwickelt.
Bei der Clip-Behandlung der Mitralklappe wird unter Vollnarkose aber ohne Eröffnung des Brustkorbes und ohne Herz-Lungen-Maschine gewissermaĂen âminimal-invasivâ eine Art Klammer ĂŒber eine Leistenvene zum Herzen vorgeschoben. Unter Röntgen- und 3D-Ultraschallkontrolle wird der Clip so an der undichten Mitralklappe befestigt, dass diese wieder deutlich besser schlieĂen kann. Die bestmögliche Position des Clips kann am schlagenden Herzen stĂ€ndig ĂŒberprĂŒft und ggf. auch korrigiert werden. Falls notwendig können sogar mehrere Clips platziert werden.
Bei den meisten Patienten kann so bereits kurze Zeit nach dem Eingriff ĂŒber die Reduktion der Mitralklappeninsuffizienz auch eine deutliche Verbesserung der LebensqualitĂ€t erreicht werden. Bis vor kurzem war jedoch relativ unklar, ob dieses Behandlungsverfahren auch das Leben betroffener Menschen mit einer sekundĂ€ren Mitralinsuffizienz auf dem Boden einer HerzschwĂ€che verlĂ€ngern kann.
2 groĂe neue Studien haben hier fĂŒr viel Diskussion gesorgt.
ZunĂ€chst konnte die französische Mitra-FR-Studie im August 2018 an 304 Patienten mit HerzschwĂ€che und fortgeschrittener Mitalinsuffizienz keinen Unterschied in der Sterblichkeit von Patienten zeigen, die ĂŒber die optimale Behandlung mit Medikamenten hinaus mit der Clip-Behandlung der Mitralklappe versorgt wurden, im Vergleich zu den rein medikamentös behandelten Patienten.
Kurze Zeit spÀter im September 2018 konnte die sog. COAPT-Studie an 610 Patienten mit HerzschwÀche und mittelschwerer oder schwerer sekundÀrer Mitralinsuffizienz durch eine zusÀtzliche Clip-Behandlung der Mitralklappe im Vergleich zu einer alleinigen Behandlung mit Medikamenten eine Absenkung der allgemeinen Sterblichkeit um relativ 38% und eine Senkung der Krankenhausaufnahmen wegen HerzschwÀche um 47% gezeigt werden.
Und jetzt? Wie sind diese auf den ersten Blick sehr widersprĂŒchlichen Studienergebnisse zu erklĂ€ren?
NatĂŒrlich kann ich hier keine eindeutige Antwort geben aber bei genauer Betrachtung der 2 Studien kristallisiert sich heraus, dass die sorgfĂ€ltige Auswahl der fĂŒr dieses neue Behandlungsverfahren wirklich geeigneten Patienten ĂŒber den Erfolg der Prozedur zu entscheiden scheint.
In der erstgenannten französischen MitraFR-Studie, die keinen positiven Effekt der Clip-Behandlung der Mitralklappe nachweisen konnte, hatten die Patienten im Durchschnitt eine gemessen an der GröĂe der linken Herzkammer weiter fortgeschrittene HerzschwĂ€che und eine im VerhĂ€ltnis dazu im Vergleich zur COAPT-Studie weniger stark ausgeprĂ€gte Undichtigkeit der Mitralklappe. Die Patienten der COAPT-Studie hatten eine im Vergleich zu MitraFR-Studienpatienten noch weniger stark fortgeschrittene HerzschwĂ€che und eine im Vergleich dazu stĂ€rker ausgeprĂ€gte Mitralinsuffizienz.
Gemeinsamer Nenner dieser beiden Studien könnte also sein, dass bei einer bedeutenden, schweren Mitralklappeninsuffizienz nicht zu lange abgewartet werden sollte, da sonst die linke Herzkammer einen schlieĂlich nicht mehr rĂŒckgĂ€ngig zu machenden Schaden erleiden kann.
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Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,
natĂŒrlich ist es fĂŒr Sie als Patient nicht möglich zu entscheiden, welches Behandlungsverfahren fĂŒr Sie nun das geeignetste darstellt. Diese Entscheidung sollte im zusammen mit Ihnen im Kreise Ihrer behandelnden Ărzte, im sog. Herz-Team, unter AbwĂ€gung sĂ€mtlicher Vor- und Nachteile gewissenhaft getroffen werden.
Entscheidend ist v.a. dass Sie auf die besprochenen Beschwerden achten und mit Ihrem Arzt besprechen, um falls notwendig rechtzeitig eine wirksame Behandlung einleiten zu können.