Stefan Waller ist seit mehreren Jahren praktizierender Internist und Kardiologe und hat sich aus Leidenschaft der Vermittlung komplexer medizinischer Sachverhalte in möglichst einfacher und verständlicher Sprache gewidmet.
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Direkte orale Antikoagulantien
Viele neue Präparate, viele neue Aspekte bei der Blutverdünnung: Die Direkten Oralen Antikoagulantien.
Alle neuen bzw. Direkten Oralen Antikoagulantien sind in riesigen Zulassungsstudien gegen den bisherigen Standard, das Marcumar, getestet worden und zeichneten sich dosisabhängig durch einen gleich guten oder sogar besseren Schlaganfallschutz, bzw. eine gleich große oder dosisabhängig auch geringere Blutungsneigung aus. Insbesondere ist unter den neuen Gerinnungshemmern die Gefahr der verheerendsten aller Blutungen, nämlich einer Hirnblutung im Vergleich zur Behandlung mit Marcumar nur halb so groß.
Von den meisten Patienten wird als sehr angenehm empfunden, dass die Durchführung von Gerinnungstests bei den neuen Gerinnungshemmern im Allgemeinen nicht notwendig ist. Je nach Nierenfunktion, Alter des Patienten und Gewicht kann jedoch eine geringere Dosierung des Medikaments gewählt werden. Daneben zeigen die neuen Medikamente kaum Wechselwirkungen mit der Ernährung und weniger Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Insbesondere Patienten die unter Marcumar stark schwankende Gerinnungswerte aufweisen werden neuerdings bevorzugt mit einem direkten oralen Gerinnungshemmer behandelt. Daneben profitieren vor allem auch Patienten, die bereits einen Schlaganfall durchgemacht haben, von den neuen Substanzen. Dagegen gibt es keinen zwingenden Grund Patienten, die bislang mit Marcumar gut eingestellt sind unbedingt auf die neuen Gerinnungshemmer umzustellen. Und an dieser Stelle schon wieder ein kleines Geheimnis, mein eigener Vater hat selbst Vorhofflimmern und ist seit Jahrzehnten gut auf Marcumar eingestellt, so dass es hier auch keinen Grund gibt unbedingt auf einen neuen Gerinnungshemmer umzustellen.
Kritisch gegenüber der neuen Medikamentengruppe kann natürlich der sehr viel höheren Preis angemerkt werden, wobei jedoch auch berücksichtigt werden muss das hierbei die Kosten der regelmäßigen Blutgerinnungstests entfallen und gegengerechnet werden müssen. Dies gilt auch für die eingesparten Folgekosten durch verhinderte Schlaganfälle und verhinderte Hirnblutungen. Ebenfalls kritisch angemerkt wird von Vielen die bislang fehlende Möglichkeit im Falle eines akuten Notfalles, wie zum Beispiel einer Notfalloperation, die Wirkung der Gerinnungshemmer mithilfe eines Gegenmittels rasch neutralisieren zu können. Allerdings sind aktuell bereits mehrere sog. Antidote in Entwicklung und kurz vor der Marktzulassung bzw. zu dem Zeitpunkt an dem Sie dieses Video schauen vielleicht sogar schon zugelassen. Der Vorteil der fehlenden Notwendigkeit von Gerinnungstests zur Therapieüberwachung kann natürlich auch als Nachteil interpretiert werden insofern dass dann natürlich keine Kontrolle über die tatsächliche Tabletteneinnahme mehr besteht.
Aus meiner persönlichen Sicht lässt sich also zusammenfassen, dass die direkten Gerinnungshemmer (DOAK) im Gegensatz zu vielen anderen neu auf den Markt geworfenen Nachahmer-Medikamenten einen tatsächlichen Zusatznutzen haben. Insbesondere Patienten, die mit Marcumar bislang nicht gut einzustellen waren beziehungsweise solche Patienten mit einem bereits durchgemachten Schlaganfall scheinen von den neuen Substanzen zu profitieren. Patienten, die jedoch jahrelang bereits gut mit Marcumar eingestellt sind müssen nicht um jeden Preis auf die neuen Medikamente umgestellt werden.