Stefan Waller ist seit mehreren Jahren praktizierender Internist und Kardiologe und hat sich aus Leidenschaft der Vermittlung komplexer medizinischer Sachverhalte in möglichst einfacher und verständlicher Sprache gewidmet.
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Vorhofflimmern mit Smartwatch aufspüren?
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,
können Sie sich noch an die Zeiten erinnern als wir Uhren getragen haben, die einfach nur die Uhrzeit anzeigten? Heute tragen wir an unserem Handgelenk kleine technische Wunderwerke. Mini- Computer, die immer mehr unserer Körperfunktionen wie Puls, Atmung, unseren Schlaf und vieles mehr vermessen können.
Aber mal ganz ehrlich unter uns: Können wir mit diesen Smart Watches tatsächlich auch etwas für unsere Gesundheit tun oder ist das ganze nicht vielleicht doch eher eine nette Spielerei für Technik-freaks?
Dieser Frage gehen wir in diesem Video nach und am Ende des Videos werde ich Ihnen auch verraten, wie ich es persönlich mit den kleinen smarten Helfern handhabe…
Kaum ein Tag vergeht an dem nicht eine neue Sensationsnachricht über eine neue Digitale Gesundheitsanwendung in der Presse erscheint. Aktuell laufen bereits Forschungsprojekte zur Blutdruckmessung über die Smartphone Kamera mittels einer einfachen Video-Gesichtsaufnahme sowie zur Erkennung einer aus dem Ruder laufenden Herzschwäche mittels Sprachanalyse durch das Smartphone. Wahnsinn!
Medizinische Diagnostik verlagert sich also schon jetzt immer mehr von der Arztpraxis bzw. dem Krankenhaus hin zum Patienten bzw. Menschen. Theoretisch können wir uns mittels Smartphone und Smart Watch “ 24/7“, also ständig, überwachen lassen und unsere Körperfunktion bzw. bestimmte Abweichungen normaler Körperfunktionen erfassen und dokumentieren.
Doch was bringt uns die Sammelwut auf unsere körpereigenen “Daten“?
Wie bei allen neuen Entwicklungen gibt es natürlich auch bei den abertausenden digitalen Gesundheitsanwendungen sinnvolle und vielleicht eher fragwürdige Entwicklungen. Ob wir zum Beispiel wirklich die App brauchen, die uns (im wahrsten Sinne des Wortes) eine “Push“-Nachricht auf unser Handy sendet wenn unser jüngster Nachwuchs in die Windel gemacht hat, das kann jeder für sich selber entscheiden.
Insgesamt betrachtet sehe ich aber großes Potenzial unsere Gesundheitsversorgung durch “smarte“ digitale Anwendungen in der Medizin für uns alle massiv zu verbessern.
Lassen Sie mich das an 2 Beispielen verdeutlichen:
Vorhofflimmern ist die weltweit häufigste, relevante, beim Erwachsenen auftretende Herzrhythmusstörung. Das größte Problem mit dieser Herzrhythmusstörung ist, dass sich in den flimmernden Herzvorhöfen, die das Blut nun nicht mehr aktiv pumpen können, Blutgerinnsel bilden können, die schließlich mit dem Blutstrom ins Gehirn gespült werden können und dort eine Hirnarterie verstopfen. Das nennt man dann einen Schlaganfall.
Problematisch ist nun dass eine Vielzahl betroffener Menschen diese Herzrhythmusstörung gar nicht bemerkt und zum Teil erstmals im Rahmen des Schlaganfalles, also dann wenn es eigentlich schon zu spät ist, davon erfährt. So erging es z.B. vor vielen Jahren meinem Vater, zum Glück war es nur ein relativ kleiner Schlaganfall…
Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass wir vielen Menschen in Zukunft einen Schlaganfall ersparen können, wenn wir das Vorhofflimmern frühzeitig feststellen und rechtzeitig eine schützende Behandlung einleiten.
Und das ist heute möglich:
Innerhalb von 30 Sekunden kann ich durch einfaches Handauflegen auf meine Smart Watch meinen Herzrhythmus aufzeichnen und mittels komplexer Algorithmen automatisch analysieren lassen. Auffällige EKG-Kurven kann ich in einer App speichern und meinem Arzt vorzeigen. Wird die Diagnose Vorhofflimmern durch den Arzt bestätigt kann eine schützende Blutverdünnung eingeleitet werden und somit einen drohender Schlaganfall verhindert werden.
Zweites Beispiel: Das sog. Schlafapnoesyndrom. Was ist ein Schlafapnoesyndrom?
Beim Schlafapnoesyndrom kommt es durch das Erschlaffen der Rachenmuskulatur während des Schlafes zu einem Zurückgleiten des Zungengrundes in unsere Atemwege, sodass die Atmung blockiert ist. Dadurch kommt es zu einem wiederholten Abfall des Sauerstoffgehaltes im Blut mit wiederholten Aufweckreaktionen des Körpers, die aber von den betroffenen Menschen nicht erinnert werden.
Die Folge ist ein nicht erholsamer Schlaf mit ausgeprägter Einschlafneigung am Tage.
Man geht davon aus, dass ein Großteil der Verkehrsunfälle auf das Konto eines solchen Schlafapnoesyndromes geht.
Daneben entwickelt sich als Folge der andauernden Ausschüttung von Stresshormonen im Rahmen der wiederholten Weckreaktionen ein schlecht behandelbarer, ausgeprägter Bluthochdruck.
Und, Sie ahnen es schon: Auch hier haben wir nun mittels moderner Smart Watch-Analyse die Möglichkeit, den nächtlichen Sauerstoffgehalt des Blutes, bzw. die sog. Sauerstoffsättigung, zu messen. Zusammen mit der Überwachung der Herz- und Atemfrequenz und der nächtlichen Bewegungen kann dann mithilfe eines Algorithmus eine Störung der Atmung berechnet werden, die auf ein Schlafapnoesyndrom hinweisen kann. Durch nachfolgende Untersuchungen kann die Erkrankung dann ggf. frühzeitig erkannt und behandelt werden, bevor es zu gefährlichen Komplikationen kommt.
Aktuell ist es doch meist so, dass wir zum Arzt gehen wenn wir bereits irgendwelche Beschwerden haben. Ich nenne das immer eine Boxenstopp-Medizin, d.h. die Kontakte mit dem Arzt finden sporadisch und „reaktiv“ statt.
Mittels digitaler Sensoren haben wir nun die Chance Abweichungen unserer Körperfunktionen von der Norm kontinuierlich zu erfassen und darauf zu reagieren bevor es zu einer Erkrankung kommt, die dann oftmals nicht mehr optimal zu behandeln ist.
Eines sei zum Schluss aber auch klar gesagt: Natürlich sind in derartige Anwendungen kein Selbstzweck und bringen nur dann einen Nutzen wenn am Ende auch sinnvoll auf die erhobenen Messwerte reagiert wird. Insofern kann und soll eine Smartwatch oder andere digitale Anwendungen auf keinen Fall den vertrauensvollen Kontakt mit Ihrem Arzt ersetzen, sondern ganz im Gegenteil: Ihre medizinische Betreuung durch wertvolle Zusatzinformationen dauerhaft verbessern und sicherer machen.
Liebe Zuschauerinnen, liebe Zuschauer,
das war es von meiner Seite, ich denke wir können alle sehr gespannt sein wie digitale Anwendungen die Medizin von morgen revolutionieren werden. Wichtig ist natürlich, dass wir diese Entwicklungen auch in unserem Sinne aktiv mitgestalten und die Technik zu unserem Wohle nutzen.
Ich persönlich lasse mich z.B. gerne durch meinen Schrittzähler zu einer Extrarunde Joggen motivieren, gleichzeitig schaffe ich mir aber auch regelmäßig ganz bewusst komplett Technik-freie Zeitfenster allein in der Natur ohne irgendwelche digitalen Ablenkungen!
Mich interessiert jetzt natürlich wie Sie digitalen Gesundheitsanwendungen gegenüber eingestellt sind, welche Apps und Geräte nutzen Sie vielleicht schon und was sind Ihre Erfahrungen? Diskutieren Sie mit und
bleiben Sie schön gesund,
Ihr Dr. Heart