Stefan Waller ist seit mehreren Jahren praktizierender Internist und Kardiologe und hat sich aus Leidenschaft der Vermittlung komplexer medizinischer Sachverhalte in möglichst einfacher und verständlicher Sprache gewidmet.
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Lipoprotein(a) – gefährlicher als Cholesterin?
Liebe Community,
den meisten von Euch durfte mittlerweile bewusst sein, dass das sog. LDL-Cholesterin, einen ganz wichtigen Risikofaktor für Herzinfarkt und Co. darstellt …
Aber kennt Ihr auch das Lipoprotein(a)? Das solltet ihr, denn dieses auch als “kleiner frecher Bruder des LDL-Cholesterins” bezeichnete Blutfett, beschleunigt die Arterienverkalkung besonders intensiv! Häufig findet man bei Menschen mit einer frühzeitigen oder besonders aggressiv fortschreitenden Arteriosklerose ein erhöhtes Lipoprotein(a) als den entscheidenden Risikofaktor.
Was genau ist nun dieses Lp(a)?
Das Lipoprotein(a) hat große Ähnlichkeit zum LDL-Cholesterin, besitzt aber zusätzlich das sog. Apolipoprotein(a). Das ist ein Eiweißmolekül, das Ähnlichkeit zum sog. Plasminogen hat, einem Eiweiß welches eine große Rolle in unserer Blutgerinnung spielt. Plasminogen kann nämlich in seiner aktiven Form Blutgerinnsel auflösen.
Aufgrund dieser Ähnlichkeit zu Plasminogen kann das Apolipoprotein (a) an dessen Rezeptoren binden, diese blockieren und damit die Blutgerinnsel-auflösende Wirkung aufheben.
Unterm Strich ist das Lipoprotein(a) also gleich 2-fach schädlich: Über die Apo(a)-Komponente fördert es die Gerinnselbildung zusätzlich zu seiner arteriosklerosefördernden LDL-Cholesterin-Wirkung.
Ungefähr jeder 5. von uns hat erhöhte Lp(a)-Spiegel. Das ist wahrscheinlich ein Relikt aus unserer Evolution, denn mit seiner Blutgerinnung aktivierenden Funktion war es in früheren Zeiten, als wir noch häufiger vom Säbelzahntiger angegriffen wurden, ein Überlebensvorteil nicht bei der ersten Fleischwunde gleich zu verbluten. Heute ist diese überaktivierte Blutgerinnung leider ein Nachteil für uns.
Schön und gut, warum erzähle ich Euch das alles?
Lange Zeit haben auch wir Ärzte dieses Lipoprotein(a) vernachlässigt, v.a. weil wir wenig dagegen tun konnten. Ernährung oder körperliche Aktivität beeinflussen den Lp(a)-Spiegel so gut wie nicht und es gab es auch keine Möglichkeit diesen Risikofaktor direkt zu beeinflussen.
Das ändert sich gerade!
Zukunftsvision: Gezielte Lp(a)-Senkung
Es sind nämlich hochwirksame Medikamente zur gezielten Reduktion von Lipoprotein(a) in Entwicklung, sog. Antisense-Oligonukleotide, die quasi nach dem Schlüssel-Schloss Prinzip an die Boten-RNA (mRNA) des Apolipoprotein(a) binden, so dass das Apolipoprotein(a) gar nicht erst gebildet werden kann.
In Studien konnte eine einmal wöchentliche Injektion den Lp(a)-Spiegel im Mittel um 80% senken.
Wenn alles gut geht werden wir diese Wirkstoffe in wenigen Jahren zur Verfügung haben und damit betroffenen Menschen wirklich helfen können!
Also, hochspannend, was sich da in der Medizin gerade tut im Bereich dieser RNA-basierten Behandlungsverfahren, die ja seit der Coronaimpfung erst so richtig in das öffentliche Bewusstsein gerückt sind, von denen wir aber in Zukunft noch viel mehr “disruptive” Veränderungen in der Medizin erwarten können.
Bis dahin,
bleibt schön gesund,
Euer Dr. Heart