Stefan Waller ist seit mehreren Jahren praktizierender Internist und Kardiologe und hat sich aus Leidenschaft der Vermittlung komplexer medizinischer Sachverhalte in möglichst einfacher und verständlicher Sprache gewidmet.
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Betablocker für jeden KHK-Patienten?
Neue Diskussionen über Betablocker: Bei „stabiler“ koronarer Herzerkrankung verzichtbar?
Bislang galten ja Betablocker bei allen Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung als Behandlungsstandard und tatsächlich zeigen diese Medikamente ja auch eine gute Wirkung gegen den bei diesen Patienten typischen Brustschmerz, die Angina pectoris. Gleichzeitig ist der Betablocker aber vielen Patienten, insbesondere sexuell aktiven Männern, wegen seiner vermeintlichen Nebenwirkungen ein Dorn im Auge und viele Patienten würden gerne auf ihn verzichten. Nach mehreren jetzt erschienen neueren Studien gibt es jetzt tatsächlich Zweifel, ob Betablocker für alle Patienten mit einer Koronaren Herzerkrankung von Nutzen sind, insbesondere wenn Patienten eine sog. stabile KHK, d.h. ohne kürzlich durchgemachten Herzinfarkt, ohne Beschwerden und v.a. eine normale Herzleistung haben. Nach den Ergebnissen einer dänisch-amerikanischen sowie einer internationalen Forschergruppe (Dr. Charlotte Anderson et al und Analysen des REACH-Registers, JAMA. 2012; 308: 1340-1349) konnte lediglich bei Patienten mit durchgemachtem Herzinfarkt z.T. eine Verbesserung der Prognose nachgewiesen werden. Bei beschwerdefreien Patienten ohne durchgemachten Herzinfarkt und mit normaler Pumpleistung des Herzens konnte jedoch keine der neueren Studien positive Wirkungen durch eine Betablockerbehandlung zeigen.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass eine generelle Betablocker-Therapie bei allen Patienten mit koronarer Herzerkrankung wohl nicht unbedingt notwendig ist. Betablocker sollten aber weiterhin bei KHK-Patienten mit Angina pectoris-Beschwerden genutzt werden und auch bei Patienten, die eine reduzierte Herzleistung haben. Hier haben Betablocker ihren günstigen Einfluss auf das weitere Überleben in vielen Studien bewiesen. Auch nach einem erlittenen Herzinfarkt scheint zumindest über einen Zeitraum von 1-3 Jahren nach den Ergebnissen einer weiteren kürzlich erschienenen Studie (Post-hoc-Analyse der 2006 publizierten CHARISMA-Studie) die Betablockertherapie sehr sinnvoll zu sein.
Aber, wenn Sie zu den Patienten gehören, die weder Beschwerden haben, noch in den letzten 3 Jahren einen Herzinfarkt erlitten haben und die eine normale Herzpumpleistung aufweisen, dann kann über die Notwendigkeit eines Betablockers durchaus diskutiert werden.
Auf keinen Fall dürfen Sie jedoch ihren Betablocker eigenmächtig ohne Rücksprache mit ihrem Arzt absetzen, denn der kennt Sie und Ihre Erkrankung natürlich am besten, und ein plötzliches Absetzen ohne vorherige langsame Reduktion der Dosis kann für Sie sogar gefährlich sein. Und noch ein letzter Punkt zur „Ehrenrettung“ der Betablocker: Die häufig beklagten Potenzstörungen unter diesen Medikamenten scheinen zu einem ganz erheblichen Anteil auch psychologisch bedingt zu sein, man hat zeigen können, dass diese vermeintliche Nebenwirkung stark abhängig ist vom Lesen des Beipackzettels. Bei Patienten, die ihren Beipackzettel studiert hatten traten Potenzstörungen in 50% der Fälle auf verglichen mit 5% bei den Patienten, die dies nicht getan hatten.
Also reden Sie mit Ihrem Arzt, zusammen werden Sie mit Sicherheit eine Lösung finden.