Stefan Waller ist seit mehreren Jahren praktizierender Internist und Kardiologe und hat sich aus Leidenschaft der Vermittlung komplexer medizinischer Sachverhalte in möglichst einfacher und verständlicher Sprache gewidmet.
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Abnehmen fürs Herz – aber richtig!
Body positivity hin oder her, medizinischer Fakt ist, dass Übergewicht und Fettsucht einen bedeutenden Risikofaktor für eine Vielzahl von Erkrankungen, insbesondere für Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus und Atherosklerose (Koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt etc.), aber z.B. auch für bestimmte Krebsarten wie z.B. Darmkrebs darstellen.
Umgekehrt haben wir durch eine bewusste Gewichtsabnahme die Möglichkeit, das Risiko für diese Erkrankungen drastisch zu reduzieren.
Aber, wie so oft im Leben hat die Sache einen Haken: Häufig verliert man bei einer geplanten Gewichtsreduktion eben nicht nur die ungeliebten Speckröllchen sondern immer auch Muskelmasse, was die gesundheitlichen Schutzeffekte der Gewichtsabnahme zum Teil gefährden kann.
Warum ist das so?
Befinden wir uns in einem diätbedingten Energiedefizit, dann verwendet unser Körper nicht nur Fett als Energiequelle, sondern eben leider auch unsere Muskeln. Denn Muskeln bestehen ja zu einem großen Teil aus Eiweiß, was der Körper in den durch die Diät vorgegaukelten “schlechten Zeiten” als Energiequelle nutzen kann.
Das ist ein Problem, denn es ist unsere kräftige und gesunde Muskulatur, die empfindlich für Insulin bleibt und uns daher im Alter vor Diabetes bewahren kann. Gleichzeitig verbraucht Muskulatur auch mehr Energie, selbst wenn wir uns gerade mal nicht bewegen, was uns vor Übergewicht und Fettsucht schützen kann.
Daher sollten wir uns also um eine kräftige und gesunde Muskulatur bemühen.
Die Frage lautet also: Wie können wir bei einer geplanten Gewichtsabnahme den Verlust an Muskelmasse so gering wie möglich halten?
Zwei Dinge sind hier wichtig
Bewegung und Eiweißzufuhr
Verschiedene Studien konnten zeigen, dass insbesondere regelmäßiges Krafttraining den Verlust an Muskelmasse abschwächen, wenn auch nicht ganz aufhalten kann
In Bezug auf Ausdauersport ist die Studienlage leider etwas weniger eindeutig.
Klar ist aber, dass eine unzureichende Eiweißzufuhr während einer intendierten Gewichtsabnahme den Verlust an fettfreier Körpermasse verstärkt
Was ist also die Empfehlung in Bezug auf die Eiweißzufuhr?
Die Ergebnisse einer Meta-Analyse, also einer Analyse von mehreren Studien zu diesem Thema, zeigen eine zwar geringe, aber signifikante positive Wirkung durch eine eiweißreiche Ernährung während einer Gewichtsreduktion in Bezug auf den auf den Erhalt von Muskelmasse (Erhalt von 400-800 g Muskelmasse)
Daher sollten wir also darauf achten, mindestens 20 g Eiweiß in einer Mahlzeit aufzunehmen, weil dadurch der Muskelaufbau stimuliert wird
Ebenso wichtig wie die tägliche Gesamtproteinzufuhr könnte interessanterrweise auch die Verteilung der Eiweißzufuhr über den Tag sein, denn es scheint ein Fenster zu geben, in dem der Muskelaufbau, der einmal durch Aminosäuren angeregt wurde, nicht erneut wieder angeregt werden kann. Es ist also wahrscheinlich besser, die Eiweißaufnahme über den Tag hinweg relativ gleichmäßig zu verteilen, als eine große Menge auf einmal zu essen oder sich 3 gigantische Proteinshakes hintereinander reinzuziehen…
Und aufgepasst: Viel hilft nicht immer viel: Zu viel zusätzliches Protein kann sich möglicherweise nicht nur nachteilig auf die Entstehung einer Arteriosklerose auswirken, wie wir das ja in einem vergangenen Video besprochen haben, sondern auch negativ auf den Glukosestoffwechsel auswirken. Studien deuten darauf hin, dass eine zu hohe Eiweißzufuhr an der Entstehung einer Insulinresistenz und von Typ-2-Diabetes beteiligt ist. Man sollte es also mit dem Eiweiß auch nicht übertreiben, also auch hier wie immer im Leben alles eine Frage der Dosis.
Muskelqualität statt Masse: Die richtige Zusammensetzung zählt
Jetzt kommt es aber nicht nur auf die Muskelmasse an, sondern auch auf die Qualität, also die Zusammensetzung des Muskels.
Eine Gewichtsabnahme durch eine Diät verringert tatsächlich den Gehalt an Fett im Muskel und verbessert die Griffkraft und körperliche Funktionen, wie Gleichgewicht, Gehgeschwindigkeit oder Treppensteigen.
Eine Gewichtsabnahme, die wir primär durch vermehrte körperliche Bewegung erreichen, also z.B. durch Ausdauertraining oder kombiniertes Ausdauer- und Krafttraining, sprich man isst genauso wie vorher, aber bewegt sich mehr, verbessert die Muskelkraft im Vergleich zu einer Gewichtsabnahme durch eine alleinige Diät, bei der man weniger isst, sich aber gleich viel bewegt
Am besten ist wie so oft im Leben mal wieder die Kombination, also eine diät- und bewegungsinduzierten Gewichtsabnahme, sprich man isst etwas weniger und bewegt sich etwas mehr, denn die führt zu größeren Verbesserungen der körperlichen Funktion als eine Gewichtsabnahme durch eine Diät allein oder durch Bewegung allein.
Wir fassen also wieder mal zusammen:
Wenn du übergewichtig oder adipös bist und vor hast abzunehmen, dann ist dies aus medizinischer Sicht auf jeden Fall eine super Idee, denn das wird sich günstig auf dein Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen auswirken, insbesondere auf Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ein gewisses Problem dabei ist, dass man bei einer Gewichtsabnahme leider nicht nur sein ungeliebtes Fett, sondern immer auch Muskelmasse verliert. Das Gute ist dabei allerdings, dass sich die Qualität der Muskeln eher verbessert und es insgesamt zu einer verbesserten körperlichen Funktions- und Leistungsfähigkeit kommt.
Und du kannst auch selbst etwas dafür tun den Verlust an Muskelmasse bei einer Gewichtsabnahme abzuschwächen, indem du sportlich aktiv bist und Krafttraining, aber auch Ausdauertraining betreibst und gleichzeitig auf eine ausreichend hohe Proteinzufuhr achtest, die ebenfalls zum Erhalt deiner Muskelmasse beiträgt.
Empfohlen werden hierbei mindestens 1,2 g/kg Körpergewicht pro Tag und zwar über die Mahlzeiten verteilt mit min. 20g Eiweiß pro Mahlzeit.
Allerdings solltest du es hier mit dem Eiweiß auch nicht übertreiben, denn das kann sich dann auch wieder negativ auf deinen Stoffwechsel auswirken… und ich persönlich würde auch pflanzliches dem tierischen Eiweiß vorziehen…
Und last but not least:
Versuche deine Gewichtsabnahme nachhaltig, also nicht über Crash-Diäten, sondern moderat herbeizuführen über eine langfristige Ernährungsumstellung, die du auch ein Leben lang durchhalten kannst und willst und am besten immer in Kombination mit Bewegung.
Kleiner Blick in die Zukunft:
Denn man kann ja heute nicht mehr über Gewichtsreduktion sprechen ohne die neuen Fettwegspritzen, also die sogenannten Inkretinmimetika wie Semaglutid oder Tirzepatid und Co. zu diskutieren. Das sind ja tatsächlich Medikamente, die eine bislang und unbekannte Wirksamkeit in der Gewichtsreduktion erzielen können, die aber natürlich auch das Problem haben, dass der oftmals massive Gewichtsverlust mit einem Verlust von nicht nur Fett, sondern ebenfalls Muskelmasse einhergeht.
Aber die Pharmabranche ist erfinderisch und das Pharma Unternehmen Elli Lilly hat gerade Versanis, ein Biotech Startup aufgekauft, das mit Bimagrumab ein Antikörper entwickelt hat, der das Muskelwachstum fördern kann.
Somit kann sie dann also in Zukunft vielleicht die wirklich “perfekte” Abnehmenspritze designen, die zum einen dafür sorgt, dass wir Körperfett verlieren und gleichzeitig nicht an Muskelmasse einbüßen müssen. Schöne neue Welt.
Häufig gestellte Fragen zum Thema: Abnehmen fürs Herz
Empfohlen werden mindestens 1,2 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht täglich, verteilt auf die Mahlzeiten, mit mindestens 20 g Eiweiß pro Mahlzeit.
Eine gesunde und kräftige Muskulatur ist nicht nur entscheidend für unsere Beweglichkeit und Kraft, sondern spielt auch eine zentrale Rolle in der Prävention von Krankheiten. Sie schützt uns vor Diabetes, da sie empfindlich für Insulin bleibt, und unterstützt durch ihren erhöhten Energieverbrauch dabei, Übergewicht und Fettsucht zu vermeiden.